Und was wird jetzt aus Bayer Leverkusen?

Der FC Bayern erteilt Bayer Leverkusen auch im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinals eine Lektion (2:0). Während sich die Bayern zur entscheidenden Phase der Saison in Form schießen, stellt sich für Bayer 04 die Frage: Wie geht’s jetzt weiter?

Nein, so sehen definitiv keine Wundertäter aus. Kurz nach dem Abpfiff in der kalten BayArena standen die Spieler der Werkself mit ziemlich langen Gesichtern und größerem Abstand zueinander vor der Nordkurve. Ein bisschen zerbröselt in die Einzelteile, so zogen sie dann sichtlich enttäuscht zur verkürzten Ehrenrunde durch das Stadion.

Das Wunder von Leverkusen war beschrien und herbeigesehnt worden, doch es blieb aus. Mit in Summe 0:5 (0:3 im Hinspiel und 0:2 im Rückspiel) hat der große FC Bayern ein gigantisches Statement an die Konkurrenz gesetzt und dem einst so entfesselten Bayer 04 Leverkusen wieder Fesseln angelegt. “Über zwei Spiele muss man ehrlich sagen: Es ist die klar bessere Mannschaft weitergekommen”, sagte Keeper Lukas Hradecky, der nach dem Patzer seines Kollegen Matej Kovar im Hinspiel spielen durfte. “Fünf Gegentore, keine eigenen Tore. Da müssen wir uns nicht anlügen: Diesmal waren sie besser.” Die Enttäuschung sei “natürlich da”, ergänzte Simon Rolfes in der Mixed Zone. “Weil wir daran geglaubt haben, wenn alles zusammenläuft, dass wir eine Chance haben, es zu drehen”, sagte der B04-Sportchef.

Bayer Leverkusen: Der Zauber(er) ist weg

In der zurückliegenden Woche ist der Nimbus von Xabi Alonso und Bayer, immer wieder zurückschlagen zu können, immer wieder einen Last-Minute-Punch auszupacken, zur Not auch mal in der achten Minuten der Nachspielzeit, endgültig abhandengekommen. Zwischen den beiden Niederlagen in der Königsklasse gegen den FC Bayern setzte es auch noch eine überraschend energielose 0:2-Pleite im Sandwichspiel gegen Werder Bremen. Die Sensationsmaschinerie namens Werkself hat akute Lade- und Produktionshemmung im Frühjahr 2025. Das Team, in dem einige Spieler in der Vorsaison fast immer am Limit spielten, erreicht dieses aktuell nicht mehr. Drei Niederlagen in Serie – das ist man in Leverkusen nicht mehr gewohnt.

“Die Leistung war okay, aber wir hatten nicht diese Effizienz”, sagte Trainer Xabi Alonso zum Auftritt seiner Mannschaft. “Wir haben viel gemacht. Aber waren nicht gut genug in diesem Achtelfinale.” Dabei hatten sie in Leverkusen für das Rückspiel mächtig auf die Power-Taste gedrückt. Die Zuschauer in der Arena waren sofort da, pushten das Team in die ersten Minuten der Partie. Selbst die Balljungen und Alonso waren extrem auf Zack, warfen von der Seite umgehend neue Bälle ins Spiel, wenn das Leder ins Aus ging. Abwehrmann Mario Hermoso wedelte das Publikum mit beiden Armen an, animierte zum Anfeuern.

Doch Rambo-Zambo gab’s trotzdem vor allem von den Bayern und so schwelte das anfängliche Feuer schnell nur noch vor sich hin, der Sauerstoff zum Auflodern fehlte zunehmend. Denn der FCB war erneut nicht nur defensiv präsent, sondern zeigte mit einer grandiosen Szene im Zusammenspiel zwischen Michael Olise (per Hacke) auf Jamal Musiala (sensationelles Dribbling und Flanke) auf Harry Kane (Lukas Hradecky fischte seinen bedrängten Schuss ab) schon in den ersten Minuten, in welcher Verfassung der Rekordmeister ist.

Kane zieht den Stecker

Die Werkself, diesmal mit Patrik Schick als “echtem” Neuner in der Startelf und Alejandro Grimaldo als Ersatz für den verletzen Florian Wirtz, probierte viel, doch wirklich gefährliche Abschlüsse sprangen kaum heraus. Als Kane dann kurz nach dem Seitenwechsel (52.) nach einem Kuddelmuddel im Strafraum die Führung erzielte, zog er Spiel und Stadion ziemlich den Stecker. Im Zusammenspiel mit Leon Goretzka legte er dann auch noch Alphonso Davies die endgültige Entscheidung (71.) auf.

Schon zu diesem Zeitpunkt war klar: Bayer 04 hat den Zauber der Vorsaison aktuell verloren. Gerade in der zweiten Halbzeit fiel die Werkself wie schon im Hinspiel etwas auseinander. Nach dem Powerplay zu Beginn fehlte die Energie. Die große Frage ist: Ist das ein Vorgeschmack für das, was noch drohen könnte beziehungsweise ein Schreckensszenario für die kommende Saison?

Die neue Realität im März 2025 heißt: Aus im Europapokal. Die Bayern sind in Fußball-Deutschland wieder auf dem Thron. Die kurze Revolte aus dem kleinen Leverkusen scheint vorerst beendet. In der Liga scheint die Tabelle für Leverkusen auf Rang zwei eingefroren zu sein. Nach vorne zu Spitzenreiter Bayern sind es acht, nach hinten auf Verfolger Mainz sind es neun Zähler. Aller Voraussicht nach geht in den verbleibenden neun Saisonspielen weder nach vorne noch nach hinten etwas.

Kompany: Dieses Duell ist noch nicht vorbei

Trotzdem will Bayern-Trainer Vincent Kompany den Klub nicht als Dauer-Rivalen abschreiben. “In den letzten Jahren haben wir keine Ruhe von Leverkusen bekommen. Ich glaube, das wird auch in Zukunft so bleiben. Mein Gefühl sagt, dass dieses Duell noch nicht vorbei ist”, sagte er. Hradecky betonte fast trotzig: “Wir sind auf dem Weg zur Augenhöhe mit den Bayern und wollen da auch bleiben.”

Der Fokus dürfte sich in den kommenden Tagen und Wochen vor allem Richtung Pokal verschieben. Am 1. April trifft Leverkusen auswärts im Halbfinale auf Drittligist und Favoritenschreck Arminia Bielefeld. Im möglichen Finale warten RB Leipzig oder VfB Stuttgart. Es ist die einzig verbliebene realistische Titelchance in dieser Saison. Aber immerhin die Chance, einen Titel zu verteidigen, erklärte auch Alonso.

Auf die Stimmung schlägt derweil das Verletzungspech rund um Spielmacher Florian Wirtz. Nach einem rüden Foul von Werder-Profi Mitchell Weiser am vergangenen Wochenende fehlt der Zauberfuß wegen einer Innenbandverletzung am rechten Knöchel mehrere Wochen. Wie lange, ist unklar. Im Halbfinale des Pokals wird er dem Team wohl fehlen – und wohl mindestens auch in den kommenden Bundesligapartien gegen Stuttgart und Bochum

Wie schwer er zu ersetzen ist, zeigte sich auch an diesem Dienstagabend. Vor allem Alejandro Grimaldo bekam die undankbare Aufgabe, als Wirtz-Ersatz das Spiel des Gastgebers nach vorne zu gestalten. Der Spanier gab sich Mühe, die Kreativität des DFB-Stars konnte er nicht ersetzen, seine Abschlüsse waren teils unglücklich. Es fehlte der Wirtz-Faktor im Bayer-Spiel.

Was passiert mit Wirtz und Alonso?

Neben Erfolgstrainer Alonso ist Wirtz das wichtigste Bayer-Puzzlestück im Kader. Die beiden sind Herz und Hirn der Werkself im Jahr 2025. Immer wieder gab und gibt es Spekulationen rund um mögliche Abgänge. Bei Alonso gilt naturgemäß Real Madrid als ein möglicher Interessent. Dort spielte der Baske schon von 2009 bis 2014. Die Zukunft von Star-Trainer Carlo Ancelotti gilt als noch nicht abschließend geklärt. Alonsos Vertrag in Leverkusen läuft noch bis zum Sommer 2026.

Quasi alle Topklubs Europas reiben sich die Hände nach Wirtz. Auch der FC Bayern hatte schon von höchster Stelle aus Interesse angemeldet. Wirtz gilt neben Musiala als größtes Talent im deutschen Fußball. Für einige ist der Leverkusener sogar die Nummer eins. Bayer-Sportchef Rolfes gab sich Mitte Februar im Interview mit RTL/ntv und sport.de gelassen, was die Zukunft von Offensivspieler und Trainer angeht. Gefragt, ob er die Sorge habe, dass er sich im Sommer einen neuen Trainer suchen muss, wurde Rolfes deutlich. “Nein, habe ich nicht. Hatte ich letztes Jahr nicht, das Jahr davor nicht und dieses Jahr habe ich es auch nicht.”

Bei Wirtz, dessen Vertrag bis 2027 datiert ist, betonte Rolfes das enge Verhältnis zwischen dem Klub und der Spielerseite. “Deswegen sind wir auch entspannt. Er hat noch einen längeren Vertrag, wir sind seit Jahren eng mit ihm im Austausch über alle Sachen und ich glaube, dass Bayer 04 auch für ihn – wie auch für Xabi (Trainer Alonso, Anm. d. Red.) – ein guter Standort ist, weiter an seiner Karriere zu arbeiten”, so Rolfes. Es drohen indes noch weitere hochkarätige Abgänge. Abwehrchef Jonathan Tah steht wohl im kommenden Sommer vor dem Sprung zum FC Barcelona von Hansi Flick. Falls es tatsächlich so kommen sollte, würde in der Abwehrmitte eine große Lücke klaffen.

Auch in der Offensive gibt es weitere Wechselkandidaten. Jeremie Frimpong, der schon im vergangenen Sommer mit einem Wechsel liebäugelte, wird ebenfalls mit dem FC Barcelona und Real Madrid in Verbindung gebracht, genauso wie Grimaldo.

Spieler und Fans wollen nach Berlin

Sturmkante Victor Boniface war im Winter quasi schon weg. Der eigentlich als fix geltende neue Vertrag mit Ronaldo-Klub Al-Nassr aus Saudi-Arabien wurde dann aber doch nicht unterschrieben. Der Nigerianer blieb kurzerhand doch. Im Sommer könnte das Transfer-Theater in die nächste Runde gehen. Man braucht also nicht allzu viel Fantasie, um sich einen Umbruch des Doublesiegers im Sommer auszumalen. Die Frage ist, wie groß oder klein er wirklich wird.

Denn es ist weiterhin gut möglich, dass Alonso und Wirtz noch eine Saison bleiben. Das nächste Kapitel in Leverkusen schreiben wollen. Diese Achse ist auch ein wichtiger Faktor, um talentierte Spieler und neue Leistungsträger nach Leverkusen zu locken. Es stehen der Werkself also intensive Wochen bevor. Das Puzzlen wird sie weiter begleiten, auch um einen neuen Angriff auf die Bayern zu starten.

Und vorher gibt es ja noch einen Titel zu gewinnen. “Berlin, Berlin -wir fahren nach Berlin”, schmetterten die Fans in der Nordkurve den bedröppelten Spielern als Erstes nach dem Abpfiff entgegen. Der Auftrag ist klar. Und die Saison noch lange nicht vorbei.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *